Richard Osterhage

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Lösungsorientiertes Teamcoaching

Coaching als Begleitung und Unterstützung von Einzelpersonen oder Teams hat zu Ziel, vorhandenes Potential zu entwickeln und voll zur Geltung zu bringen.
 
Die Arbeitweise ist lösungs- und zukunftsorientiert. Coaching unterstützt konkretes Tun im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel. Es geht also nicht um die Verarbeitung und Reflexion von Problemen in der Vergangenheit, sondern um zielorientiertes Handeln im Hier und Jetzt.
 
Unter Teamcoaching verstehen wir Interventionen, die direkt an Alltagsfragen ansetzen. Also beispielsweise dann, wenn ein Team, das gemeinsam ein vom Unternehmen vorgegebenes Ziel erreichen soll,
Probleme in der Zusammenarbeit hat.
seine interne Kommunikation verbessern möchte.
neu zusammengesetzt wurde und eine gemeinsame Arbeitsbasis finden muss.
Turbulenzen wie beispielsweise Konflikte aufgetaucht sind.
 
Um sich ein genaueres Bild vom lösungsorientiertem Teamcoaching zu machen, lesen Sie bitte die nachfolgende Fallstudie von Daniel Meier.

Team-Coaching. In gemeinsamen Workshops die Ressourcen des Teams entdecken und nutzen. Fallstudie: Turbulenzen im Team als Chancen nutzen.
 
TEAM-COACHING. „Teams sind keine Probleme, die analysiert werden sollten, sondern Potenziale, die entwickelt werden wollen“, sagt der Schweizer Team-Coach Daniel Meier.
 
In seiner Fallstudie zeigt er, wie zwei Coachs bei einem neu zu- sammengestellten Geschäftsleitungsteam „Starthilfe“ geleistet haben. Hilfreich war die Reflexionsfähigkeit der Coachs und ihr Fokus auf Ressourcen und Lösungen.

Die Geschäftsleitung einer großen Weiterbildungsakademie in der Schweiz hat zwei äußerst intensive Jahre hinter sich. Neben der Umstrukturierung von der Non-Profit-Organisation in ein vollständig wirtschaftsorientiertes Unternehmen war auch noch eine Fusion zu verkraften. Die Mitgliederzahl des Führungsteams stieg von fünf auf sieben und schließlich auf neun (!) Personen. Um diesen Wandel erfolgreich zu vollziehen, werden vom Geschäftsleitungsteam zwei Coachs für ein Team-Coaching engagiert. Im Vorgespräch mit den beiden Coachs berichtet der Geschäftsführer und seine engste Mitarbeiterin vor allem von Kommunikationsschwierigkeiten im Führungsteam:
Vereinbarte Abläufe werden nicht eingehalten,
die Themen der Geschäftsleitungssitzung sind nur ungenügend vorbereitet,
endlose Diskussionen folgen,                                                                                          
Entscheidungen sind schwierig zu fällen.
Irgendwie ist der Wurm drin. Im Vorgespräch hören die beiden Coachs genau zu und stellten vor allem Fragen nach dem Ziel: „Wenn das Coaching wirklich optimal gelingen würde, was wäre danach anders?“ und „Wer würde eine Veränderung als Erstes merken – und woran genau?“

Coachs unter sich
Coach P.: Das klingt sehr schwer und wenig hoffnungsvoll, was die beiden Geschäftsleitungsmitglieder uns eben erzählt haben. Ich weiß gar nicht recht, wo wir hier ansetzen können.
Coach A.: Ja, du hast Recht. Doch ich staune auch, dass sie sich schon zu diesem Zeitpunkt Unterstützung holen. Das zeugt doch von Weitsicht und echtem Interesse an der Sache. In vielen anderen Teams kommt man als Externer erst dazu, wenn die Turbulenzen so groß sind, dass das Team kaum mehr zusammenarbeiten kann.
Coach P.: O.k., denkst du, dass eineinhalb Tage fürs Coaching reichen?
Coach A.: Ich hoffe. Viel mehr beschäftigt mich, wie wir mit dem Ziel, welches sie genannt haben, nämlich klare Zusammenarbeitsregeln aufzustellen, klarkommen. Da habe ich noch Mühe, weil ich solche Regelwerke selber als wenig hilfreich erachte. Aber Alternativen sehe ich im Moment nicht.
Coach P.: Das habe ich mir auch überlegt. Schön wäre es ja, wenn wir statt enger Regeln in Richtung der Wahlmöglichkeiten arbeiten könnten: Ihnen also Wahlmöglichkeiten eröffnen, die ihrem gemeinsamen Ziel der besseren Zusammenarbeit dienlich sind.
Coach A.: Oh ja, das würde auch uns mehr Spaß machen. Erst genau zu schauen, was bisher schon funktionierte und daraus weitere Möglichkeiten eröffnen.
 
Der erste Workshoptag
 
Etwas außerhalb von Zürich, direkt am Waldrand mit Blick auf die Stadt, trifft sich das Team und die beiden Coachs zum ersten Workshoptag.
 
Zu Beginn bitten die Coachs die Mitglieder des Teams, sich kurz gegenseitig vorzustellen. Dabei steht folgende Frage im Zentrum (Ressourcenmarkt): „Welche Eigenschaften schätze ich an meinem Kollegen/meiner Kollegin in der Zusammenarbeit?“ Nachdem in einem weite- ren Schritt die Erwartungen und Ziele für die gemeinsame Arbeit geklärt wurden, kleben die Coachs ein langes Klebeband quer durch den ganzen Raum auf den Boden.
 
Sie bitten die Mitglieder des Geschäftsleitungsgremium sich auf diesem Klebeband zu positionieren: „Ein Ende bedeutet, dass sie all ihre Probleme und Fragen in der Zusammenarbeit wirklich äußerst zufrieden stellend gelöst haben. Wenn sie also dort stehen (auf der 10), dann wäre es nur selbstverständlich, dass man von ihrer Zusammenarbeit ein Video drehen und dieses im Sinne von „Best practice“ an andere Teams verteilen würde. Und auf der gegenüberliegenden Skala, also am anderen Ende des Klebebandes, dort steht die 1: Das absolute Gegenteil davon. Eine Zusammenarbeit, die sie kaum noch zwei weitere Tage aushalten würden. Wo auf dieser Skala stehen sie heute?“ Nachdem sich die einzelnen Geschäftsleitungsmitglieder individuell positioniert haben (zwischen 3 und 6), werden sie zu einer kleinen Gruppenarbeit aufgefordert. Die Aufgabe besteht darin, genau herauszu- finden, was in der Zusammenarbeit denn bereits funktioniert. Was macht es also aus, dass sie bei einer 3 oder 5 oder 6 auf der Skala stehen. Die Teilnehmenden sollen kleine Begebenheiten, Erlebnisse oder Vorkommnisse suchen, die schon in die gewünschte Richtung weisen.

Auf Grund dieser Erkenntnisse sollen die Teilnehmenden anschließend, ebenfalls in kleinen Gruppen, gemeinsame Leitlinien für die weitere Zusammenarbeit in der Geschäftsleitung entwickeln. In dieser Arbeit entdecken die einzelnen Gruppen wertvolle Hinweise darüber, was bereits funktioniert: Beispielsweise arbeiten sie in kleineren Gruppen spannungsfrei und effektiv zusammen. Ferner finden sie konkrete Hinweise für eine zeitsparende und wertschätzende Sitzungsleitung und erkennen, wie die Struktur der Besprechungspunkte für ihre gemeinsamen Sitzungen aussehen könnte.

Nur bei der Darstellung der Geschäftsleitungs-Leitlinien, welche in drei Gruppen erarbeitet wurden, entbrennen erste heftige Diskussionen. Die drei Entwärfe einer der Coachs für Leitlinien sind zum Teil diametral verschieden und es entsteht der Eindruck, dass diese drei Ideen nie und nimmer unter einen Hut zu bringen sein werden. Sehen die einen eher basisdemokratische Strukturen vor, so wollen die anderen einen Ausschuss gründen, der mit einfacher Mehrheit entscheiden soll, während die dritte Gruppe verschiedene kleine Zellen gründen will, die die Geschäfte arbeitsteilig bearbeiten. Ernüchtert über diese Erkenntnis begibt sich das Team zum Mittagessen.

Coachs unter sich
Coach A.: Wie sollen wir nur hilfreich dazu beitragen, dass sie hier eine gemeinsame Lösung finden?
Coach P.: Da sehe ich im Moment auch keinen Weg. Vielleicht braucht es noch Zeit?
Coach A.: Wie kannst du eigentlich so gelassen und ruhig bleiben, wenn sie so heftig zu diskutieren beginnen? Alles auf der Problemebene und ohne Perspektiven. Wir hatten das Gespräch überhaupt nicht mehr im Griff und ich hatte schon Angst, es läuft uns völlig aus dem Ruder.
Coach P.: Ich denke einfach, dass es etwas Nützliches haben wird für sie. Und ehrlich gesagt, ich warte, dass sie der Diskussion müde werden. Das wäre dann der Zeitpunkt, um wieder Fragen zu stellen. Und zudem – wenn wir auch nur ein bisschen an die Selb- storganisationskraft eines Teams glauben, dann haben diese neun Personen durchaus die Fähigkeit, sich zu streiten und etwas Konstruktives aus dem Streit zu ziehen.
Coach A.: Du meinst, dass es manchmal einfach etwas Zeit braucht, bis ein ganzes Team eine große, gemeinsame Welle erkennt, auf der es sich zu surfen lohnt? Da wirst du Recht haben, nur ist es oft so schwierig, das auszuhalten und voll Vertrauen in die Kompetenzen der Beteiligten zu bleiben.


Die acht Elemente des „SolutionCircles“                                                                          
Das Werkzeug „SolutionCircles“ wurde von Daniel Meier unter anderem in Anlehnung an den „Lösungsorientierten Ansatz“ von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg entwickelt und besteht aus folgenden acht Schritten. Sie dienen dazu, komplexe Konfliktsituationen im Team zu lösen und die vorhandenen Energien zur nachhaltigen Weiterentwicklung zu nutzen.

Das Motto für den Team-Coach sollte dabei lauten: „Passen Sie die Reihenfolge der acht Schritte der jeweiligen Situation an – und seien Sie gespannt auf das, was funktioniert!“

1 Rahmen klären
Dieser erste Schritt dient dazu, Vertrauen zum Coach aufzubauen und sich gemeinsam darüber zu einigen, was benötigt wird, damit alle mit Engagement mitarbeiten können. In diesem ersten Schritt gilt es, die Vorgehensweise und Rollen zu klären. Vorab sollte als wichtiger Aspekt festgehalten werden, dass der Coach für diesen Workshop die Struktur und den Rahmen schafft, den Verlauf koordiniert und viele Fragen stellen darf. Es sind jedoch die Teilnehmer, die für den Inhalt zuständig sind und die Lösungen entwickelt.                    
 
2 Erwartungen und Ziele formulieren
Ziel dieses Schrittes ist es, die Erfolgskriterien für die Sitzung zu definieren. Welche Ziele müssen erreicht und welche Erwartungen erfüllt sein, damit eine Mitarbeit sich überhaupt gelohnt hat? Hilfreiche Fragen, die der Coach stellen sollte, sind:
Was soll in diesem Workshop passieren, damit es sich für die Teilnehmer gelohnt hat, mit dabei gewesen zu sein?
Was soll am Schluss dieses Workshops anders sein als
vorher?
Woran werden Sie merken, dass Sie dieses Ziel erreicht haben?   
 
3 Brennpunkte definieren
In diesem Schritt werden die brennenden Themen fixiert, in denen eine Verbesserung eintreten soll.
 
4 Sternstunden suchen
Die Beteiligten machen sich auf die Suche nach Situationen, in denen das Problem oder der Konflikt weniger oder gar nicht aufgetreten ist. Sie finden heraus, mit welchen Fähigkeiten und Kompetenzen sie dies geschafft haben. Dazu dienen folgende Fragen:
Welche Begebenheiten gab es in den letzten Wochen, die bezüglich der Fragestellung wie eine kleine Sternstunde erschienen?
Was war dabei genau anders?
Was hat Ihnen geholfen, in dieser Art zu reagieren?
Was haben Sie dazu beigetragen, dass Ihr Kollege so reagiert hat?
 
5 „Futur Perfekt“: Das Lösungsbild entwerfen
Im „Futur Perfekt“ entwirft das Team eine möglichst präzise Vorstellung einer Zukunft, in der die Probleme gelöst sind. Fragen des Coachs: • Wenn sich das Team genau nach unseren Wünschen entwickeln würde – wo würde es dann in zwei Jahren stehen? • Was würden Sie genau anders tun? • Was würden andere dann über das Team sagen?
 
6 „Scaling Dance“: Was bereits gut funktioniert
Die einzelnen Mitglieder des Teams schätzen die heutige Situation ein. Es geht darum, herauszufinden, was in der Vergangenheit bereits gut funktioniert hat. Fragen: • Stellen Sie sich eine Scala von 1 bis 10 vor. Wo stehen Sie heute bezüglich des Themas X, wobei „10“ den wirklichen Idealzustand und „1“ das genaue Gegenteil darstellt?
Wie haben Sie es geschafft, bereit heute auf diesen Punkt zu kommen? Was macht den Unterschied zwischen „1“ und diesem Punkt aus?
Wenn Sie an Ihre beste Sternstunde aus Schritt 5 denken, wo lag sie auf derselben Skala? Was macht hier den Unterschied aus?
Was haben Sie persönlich dazu beigetragen, dass Sie schon auf X stehen?
7 Maßnahmen festlegen
In diesem Schritt werden konkrete Maßnahmen formuliert, die das Team in nächster Zukunft – am besten schon morgen – umsetzen kann. Auf der Basis des vorangegangenen Schrittes lässt sich leicht zu den Maßnahmen überleiten. Es gilt festzuhalten, was getan werden muss, um einen kleinen Schritt in Richtung „Lösung“ zu vollführen.
 
8 Persönlicher Auftrag
Durch einen Beobachtungs- oder Handlungsauftrag, den der Coach gibt, soll die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Umsetzung gerichtet werden. Es gilt das wahr- zunehmen, was sich zum Positiven zu verändern beginnt.

Daniel Meier
48  wirtschaft + weiterbildung   02_2006

Lösungsorientiert. Das wichtigste Instrument eines lösungsorientierten Coachs sind seine Fragen, die zum Nachdenken über die eigenen Stärken verleiten. Unsere Fallstudie bringt Beispiele dafür.Die Unterlagen sind kurz und knapp auf das Wesentliche gekürzt. Zudem haben wir die Möglichkeit, selber Besprechungspunkte einzugeben.“ Die Coaches stellen folgende Fragen:
• Nehmen wir an, ihr freut euch wirklich auf die Sitzung, wie würde sich dies noch auswirken?
• Gibt es noch weitere Vorstellungen darüber, wie die Zukunft ausschauen soll?
• Wenn ihr euch besser kennen lernen würdet (Vorschlag aus der Gruppe), was würde dann anders sein?
• Woran würden wir Coachs merken, wenn wir mal zufällig in zwei Monaten bei euch aufkreuzten, dass das Vertrauen gestiegen ist und ihr euch traut, positives und negatives Feedback zu geben? Anschließend an diese sehr konstruktive und energiegeladene Sequenz überlegen sich die Teilnehmenden zu zweit, was sie selber unternehmen könnten, um in den nächsten Wochen kleine Schritte Richtung „Futur Perfekt“ zu gehen. „Was kann jeder und jede im Alltag tun, den gemeinsamen Prozess konstruktiv zu unterstützt?“ Am Schluss dieser Sequenz liegen dann über 20 verschiedene Möglichkeiten konkreter Handlungsalternativen zur Auswahl bereit, schön säuberlich auf Pinnwandkarten geschrieben und auf den Boden gelegt. Stolz stellen die Teilnehmenden ihre Ideen für eigene Verbesserungsvorschläge vor.
Coachs unter sich
Coach P.: Hey, das war jetzt wirklich ein Musterbeispiel von „Wahlmöglichkeiten eröffnen“. Hast du gemerkt, wie die Einzelnen plötzlich wieder Energie zeigten und auch erstaunt darüber waren, aus wie viel kleinen Steinchen eine verbesserte Zusammenarbeit bestehen kann?
Coach A.: Ja, ich bin auch ganz beeindruckt vom sorgfältigen Umgang des Teams mit diesem Prozess. Nur, wir haben die Leitbildgeschichte immer noch nicht abgeschlossen. Langsam rennt uns die Zeit davon.
Coach P.: Auch die Werkzeuge, die wir versprochen haben, haben wir noch nicht vorgestellt. Was denkst du, was wollen wir ihnen mitgeben? Skalierungen.
Coach A.: Genau. Sie sollen am Ende der Teamsitzungen jeweils fünf Minuten skalieren und so den Prozess in Gang halten. Eine kurze Phase der Aufmerksamkeitsfokussierung: Wo stehen wir und was hat bereits funktioniert?
Coach P.: Das könnten wir zum Abschluss noch gleich demonstrieren. Und dann bitten wir sie, die Plakate mit den Leitlinien mitzunehmen und weiter zu bearbeiten. Coach A.: Was hältst du davon, wenn wir sie einfach fragen, was damit geschehen soll? Wenn wir’s nicht wissen, vielleicht haben sie eine Idee.
Coach P.: Eine wunderschöne Idee, die die Kunden als Experten ernst nimmt.
 
Teil 3
„Futur Perfekt“
Das Team ist damit einverstanden, die Leitlinien mal Leitlinien sein zu lassen und gemeinsam eine Zukunftsvision zu erarbeiten. Nach gut einer Stunde, nachdem in Einzelarbeit und auf einem kleinen Partnerspaziergang das „Futur Perfekt“ (Vorstellung einer erwünschten, handlungsorientierten Zukunft entwickelt wurde, trifft man sich wieder im Plenum. Christa meldet sich zu Wort: „Felix und ich haben gemerkt, dass wir ganz ähnliche Vorstellungen haben. Wenn’s dann rund läuft im „Futur Perfekt“, dann freuen wir uns auf die Sitzung.

Coach P.: Ja, das fällt mir auch nicht leicht. Und müde wurden sie wirklich nicht. Ich glaube, zu meiner Gelassenheit hat auch beigetragen, dass ich nur ganz wenig verstanden habe, von dem, was sie diskutiert haben. Ich konnte mich sehr gut darauf konzentrieren, nichts zu verstehen und dann einige gezielte Fragen zu stellen.
Coach A.: Das war nützlich, wie du ab und zu nach dem „anstatt“ gefragt hast. „Wie müsste es denn sein, damit du gut in der Geschäftsleitung mitarbeiten könntest?“
Coach P.: Wie wär’s, wenn wir die Leitlinien mal im Raum hängen lassen und mit dem „Futur Perfekt“ weitermachen? Zuerst also eine praxisnahe und handlungsorientierte Zukunftsvorstellung entwickeln und die Leitlinien später daran spiegeln.
Coach A.: Klingt vernünftig, auch wenn ich etwas Angst habe, dass wir beim „Futur Perfekt“ auch wieder so unendlich verschiedene Vorstellungen produzieren. Eigentlich sollte doch das Team die Leitlinien in ihre reguläre Geschäftsleitungs-Sitzung mitnehmen.
Werfen Sie einen Blick auf die Zukunft der Weiterbildung:

Die Frage nach dem Schicksal der drei Leitlinien-Plakate löst im Plenum nochmals eine heftige, fast 30-minütige Diskussion aus. Das Team einigt sich schließlich darauf, dass die Diskussion auf den nächsten Workshop vertagt wird. Ganz zum Schluss meldete sich Coach P. nochmals zu Wort.
 
Mit einem Schmunzeln legt er eine Moderationskarte, die er vor wenigen Minuten geschrieben hat, vor sich auf den Boden: „Ich habe euch hier ein Werkzeug mitge- bracht. Es heißt ‚wunderkerzeln‘!“ Dann zauberte er wie selbstverständlich einen Packen Wunderkerzen aus seiner Tasche. „Jeder und jede bekommt eine Wunderkerze.
 
Damit ist ein kleines, geheimes Experiment verbunden. Immer dann, wenn du feststellst, dass ein Kollege oder eine Kollegin sich in irgendeinem Punkt ein klein bisschen so verhalten hat, wie du dir es im ‚Futur Perfekt‘ wünschst, dann legst du ihm oder ihr eine Wunderkerze auf den Schreibtisch. Allerdings tust du das im Geheimen, ohne dass man dich sieht und du redest danach mit der Person auch nicht darüber. Es bleibt also bis zu unserem nächsten Treffen ein Geheimnis, wer wem und wofür ‚gewunderkerzelt‘ hat. Wer eine Wunderkerze erhält, kann damit natürlich wieder weiter ‚wunderkerzeln‘!“

Nach zwei Wochen schreibt ein Teammitglied eine Mail mit folgendem Inhalt: „Danke nochmals für diesen Teamtag.
„Wir haben begonnen, konstruktiv zu streiten. Das ist der Unterschied!“  

Die Situation hat sich entspannt. Dazu haben sicher die Wunderkerzen beigetragen. Al- lerdings gibt es ein, zwei Mitglieder des Teams, die haben noch nie eine Wunderkerze bekommen – und wundern sich selber sehr darüber. Dies wird Thema in der nächsten Geschftsleitungssitzung!“

Der zweite Teamworkshop

Das Geschäftsleitungsteam trifft sich gut vier Wochen später wieder mit den beiden Coachs zu einem halbtägigen Abschlussworkshop. Das Team bekommt die Aufgabe, in Gruppen festzuhalten, was sich denn in den letzten Wochen zum Besseren gewandelt hat. Was im Plenum dann folgt, ist wirklich eine Sternstunde. Die beiden Coachs schaffen mit ihrem konsequenten, hartnäckigen und lösungsorientierten Nachfragen einen Raum, den die neun Geschäftsleitungsmitglieder nutzen, um genau herauszufinden welche (und seien es auch noch so unscheinbare) Entwicklungen stattgefunden haben. Mehr und mehr bedeutsame Details werden entdeckt. Gegen Ende der Runde vergleichen sich die Teilnehmenden gar mit erfolgreichen Sportteams. Dann war der Zeitpunkt gekommen, die drei Leitlinien wieder anzusehen. Die einzelnen Gruppen haben sich auf die Präsentation ihrer Leitlinien sehr gut vorbereitet. Es werden Vorteile diskutiert.

Die Gruppe erkennt Gemeinsamkeiten und bespricht Nachteile. Hie und da blitzen ganz unterschiedliche Ansichten und Positionen durch – und werden eindeutiger benannt als je zuvor. Doch die Diskussion verläuft sachlich. Eine Gruppe aus dem Kreis der neun Betroffenen wird beauftragt, sich weiter um die Leitlinien zu kümmern und zu versuchen, einen Kompromiss zu erarbeiten. Mit Sicherheit wird eine Einigung bezüglich der Leitlinien noch einige Diskussionsrunden benötigen. „Doch daran merke ich auch“, so eine Teilnehme- rin in der Schlussrunde, „dass sich etwas in Bewegung gesetzt hat. Wir sind uns zwar noch nicht einig, aber das müssen wir uns auch jetzt noch nicht sein. Wir haben begonnen, konstruktiv zu Streiten. Und das ist ein wesentlicher Unterschied zu früher.“
 
Abschlussrunde
 
„Wo auf einer Skala von eins bis zehn, auf der ‚10‘ das ‚Futur Perfekt‘ meint, und ‚1‘ das absolute Gegenteil davon, stehen Sie zum jetzigen Zeitpunkt?“, so leitet Coach A. die Abschlussrunde ein. Im Vergleich zur Skala vom ersten Team- tag ist die Einschätzung nun bei allen um zwei bis vier Punkte gestiegen. Es bleibt in der letzten Viertelstunde noch Zeit, um Folgendes zu klären: „Was könnt ihr tun (jeder/jede für sich und alle gemeinsam), um diesen höheren Stand mindestens zu halten?“ Diese Abschlussfrage im Rahmen der Erfolgssi- cherung dient nochmals dazu, die Handlungsspielräume zu erweitern. Und Sie, liebe Leserin und lieber Leser, sollten sich jetzt auch eine Frage stellen: „Wenn ich aus diesem Team-Coaching etwas gelernt hätte, was wäre das genau?“
 
Daniel Meier
 
Coachs unter sich
 
Coach A.: Wie bist du nur auf das „Wunderkerzeln“ gekommen? Coach P.: Ich habe noch irgendwas gesucht, um sie in der Umsetzung im Alltag zu unterstützen, um den Fokus auf die kleinen Erfolgserlebnisse zu richten und aufrechtzuerhalten. Kleine Veränderungen im Verhalten verschwinden doch sofort wieder, wenn sie nicht bemerkt und gewürdigt werden.
 
Coach A.: Einerseits zeigen alle eine gewisse Aufmerksamkeit für das, was sie schon als Veränderungen wahrnehmen – egal, ob der andere wirklich etwas verändert hat oder nicht. Andererseits wird sich jeder, der eine Wunderkerze auf seinem Pult vorfindet fragen, wofür er die wohl genau bekommen hat. Was er denn selber gemacht oder gesagt hat, das schon ein bisschen Richtung „Futur Perfekt“ geht. Und damit bleibt sein Fokus der Aufmerksamkeit auf die gewünschten Veränderun- gen gerichtet.
 
Teil 4
AUTOR
Daniel Meier
Coacht und beglei- tet Führungskräfte und Teams. Er lei- tet die Coaching-
werkstatt „LösBAR“ und bildet in der Schweiz und in Deutschland Coachs aus. Bekannt wurde er auch durch sein Buch „Wege zur erfolgreichen Teamentwicklung“, das im Jahr 2004 erschien (Werkstattbuch der Solution- Surfers, ISBN 3-8334-0668-29.)
Daniel Meier, Coaching & Training
Am Bogen 10, CH-5620 Bremgarten Tel. 00 41/5 66 31 66 25 www.solutioncircle.com www.loesbar.org
 

 

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